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4. Januar 2002

Kolumne 33

Ich möchte ein paar weitere allgemeine Fragen bezüglich der Todesstrafe und der Todeszellen beantworten, ebenso aber auch generelle Fragen, die mir gestellt wurden. Ich hoffe, die Antworten sind interessant für Euch.

Gibt es eine Hinrichtungsmethode, die allen anderen vorzuziehen ist?
Das hängt davon ab in welchem Staat man sich befindet. In Kalifornien ist z. Zt. die Giftinjektion die einzige Hinrichtungsmethode. Ich glaube einige Staaten benutzen immer noch den elektrischen Stuhl,  andere lassen dem Verurteilten die Wahl zwischen Hängen, Gaskammer und Giftspritze. Es gibt auch noch ein oder zwei Staaten (Ich glaube dazu gehört Utah) , die ein Erschiessungskommando haben.
Aber zurück zu der Frage, ob es eine Methode gibt, die ich allen anderen vorziehen würde. Ich denke, wenn man erst einmal tot ist, ist es egal wie sie einen getötet haben. Meiner Meinung nach sollten sie es so grausam wie möglich machen und die Öffentlichkeit sollte bei der Hinrichtung via TV zuschauen dürfen. Die Unterstützer der Giftinjektion sagen, diese Methode sei menschlicher. Ich glaube, dass trifft nicht den Kern der Sache. Es geht nicht um die Art und Weise der Exekution, sondern darum, dass das Töten an sich falsch ist, egal wie es ausgeführt wird. Meiner Meinung nach ist die Giftinjektion für einen Grossteil der Öffentlichkeit viel zu wenig grauenvoll. Deswegen denke ich Hinrichtungen sollten so grausam wie möglich sein.

Wieviel Zeit verbringt man normalerweise in der Todeszelle?

Das ist von Person zu Person verschieden und hängt von den gesetzlich möglichen Einsprüchen ab.
Wenn zum Beispiel ein Häftling einwendet, er habe keinen fähigen Rechtsbeistand gehabt (ein Rechtsanwalt, der  den Häftling schlecht verteidigt hat) , dann wird es länger dauern als bei jemand, dessen Einspruch weniger Aufwand zur Nachforschung und Recherche erfordert. Eines der grossen Hemmnisse in den Berufungsprozessen ist, dass der Verurteilte so lange darauf warten muss bis ein Rechtsanwalt benannt wird, der ihn in seiner Berufung vertritt. Manche Leute in den Todeszellen warten schon vier oder fünf Jahre nur darauf, einen Anwalt gestellt zu bekommen. Weil fast jeder Häftlich mittellos ist  (ohne Geld) muss das Gericht einen Rechtsanwalt finden, der den Fall übernimmt.
Diese Anwälte werden dann vom Staat bezahlt. Aber viele dieser Pflichtanwälte sind nicht qualifiziert genug, um eine Berufung gegen eine Todesstrafe zu vertreten. In Kalifornien ist es besser als in anderen Staaten wie Texas oder dem sogenannten Todesgürtel. Das sind die Südstaaten von Texas bis Florida. In vielen dieser Staaten ist es möglich, dass der Pflichtanwalt zuvor noch nie einen Kriminalfall vertreten hat und daher auch nicht weiss, welche rechtlichen Möglichkeiten er in einer Berufung für seinen Mandanten wahrnehmen kann. Das ist auch einer der Gründe, warum in den Südstaaten so viele Hinrichtungen stattfinden.

Welche Freiheiten habe ich in der Todeszelle?

Nun, die sind in der Todeszelle sehr eingeschränkt. Die Todeszellen in Kalifornien sind in drei Bereiche unterteilt. Einer davon heisst North Seq und dort sind die Einschränkungen nicht so extrem wie in den anderen beiden Bereichen. Aber ich bin nie dort gewesen, daher kann ich Euch auch nicht viel drüber erzählen.
Der Teil, in dem ich untergebracht bin heisst Eastblock. Es ist der Hauptbereich der Todeszellen und die Beschränkungen dort sind sehr scharf. Es ist sogar so, dass Häftlinge aus dem normalen Teil des Gefängnisses (Häftlinge ohne Todestrafe), zur Bestrafung hier in den Eastblock gebracht werden, wenn sie sich etwas haben zuschulden kommen lassen. Jeder Gefangene wird in Handschellen gelegt, sobald er seine Zelle verlässt.
Ausserdem gibt es hier im Eastblock den sogenannten 'Hof'  Jeder Häftling wird in Handschellen und nur mit seiner Unterwäsche bekleidet zum Hofgang gebracht. Es gibt 6 Höfe hier im Eastblock. Wenn man erstmal draussen im Hof ist, werden die Handschellen abgenommen und man kann seine Kleider anziehen. Für ungefähr 70 - 100 Gefangene gibt es jeweils einen Hof, der ca 12 x 12 Meter gross ist. Für 4 Stunden kann der Gefangene dort Basketball oder Karten spielen. Aber viele Häftlinge (wie ich) bleiben lieber in ihren Zellen und machen andere Dinge. Ich schreibe und lese, andere malen und zeichnen. Wieder andere arbeiten an ihren Berufungen.
Der dritte Bereich der Todeszellen ist der mit den meisten Einschränkungen. Er wird 'The Adjustment Center' oder A/C genannt. Das ist das LOCH. Die Häftlinge aus dem normalen Gefängnis werden zur Bestrafung in den Eastblock geschickt, wir Todeskandidaten werden in so einem Fall nach A/C gebracht (nicht alle, nur extrem gewaltätige Häftlinge oder aktive Bandenmitglieder). Es gibt dort Platz für 80 Gefangene, aber ich weiss nicht, wieviele davon zum Tode verurteilt sind. Ich denke, die meisten dort sind es.

Was ist meine Perspektive für die Todesstrafe?

Das ist eine sehr weitgefasste Frage und ich weiss nicht, ob ich sie komplett beantworten kann. Ich glaube, dass die Todesstrafe falsch ist. Nicht weil ich hier in der Todeszelle sitze, sondern diesen Glauben habe ich schon seitdem ich alt genug war Recht und Unrecht zu unterscheiden. Die Todestrafe ist ein Relikt aus einer anderen Zeit und heute nicht mehr angemessen. Amerika wird als fortschrittliche und moderne Nation angesehen. Aber von allen industrialisierten Ländern verhängen nur noch Amerika und Japan die Todesstrafe. Tatsache ist sogar, dass die Europäische Union keinen Angeklagten an die USA ausliefert wenn ihm dort die Todesstrafe droht. Neben den USA und Japan haben nur noch Dritte Welt Länder diese Art der Bestrafung.  Ich glaube, in den USA ist die Todesstrafe ein politisches Instrument und hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Es gibt einige Häftlinge im regulären Teil des Gefängnisses, die eines Tages wieder frei sein werden. Aber sie sind aus den gleichen Gründen und für die gleichen Taten verurteilt worden wie manch andere, die dafür die Todesstrafe erhalten haben.

Glaube ich, dass die Todesstrafe abschreckend wirkt?

Nein, ich glaube nicht, dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung hat. Statistiken zeigen sogar, dass es oft nach Hinrichtungen mit grossem Medieninteresse zu einem Ansteigen der Kriminalitätsrate kommt. Das Abschreckungsargument wird von Todesstrafen-Befürwortern vorgebracht, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Todesstrafe einen Sinn hat. Aber die Statistiken zeigen etwas anderes.

Welche anderen Methoden sollten statt der Todesstrafe bei Gewaltverbrechen bevorzugt werden?

Das ist eine schwere Frage. Ich glaube nicht an 'Lebenslänglich ohne Begnadigungsmöglichkeit', aber es ist eine Strafe die verfügbar ist. Ich habe ein paar Häftlinge gesehen von denen ich meine, sie dürften nie wieder einen Fuss ausserhalb des Gefängnisses setzen. Prozentual gesehen sind das aber im Bezug auf alle Häftlinge sehr wenige. Ich denke, die Gesamteinstellung zur Kriminalität und Justiz ist in Amerika rückwärts gerichtet.
Die Frage müsste lauten, welche BESTRAFUNG ist zu bevorzugen. Das ist die Mentalität des amerikanischen Volkes. Es will bestrafen. Es scheint, als sollte jeder bestraft werden. In anderen modernen Staaten geht man etwas anders an diese Sache heran als in den USA. Sie betrachten das nicht als Bestrafung, sondern als Behandlung die sicherstellt, dass die Person nach ihrer Entlassung nicht weitere Verbrechen begeht und wieder im Gefängnis landet. Ich denke, das sollte in den USA auch getan werden. Betrachtet Kriminalität und Gerechtigkeit mehr im Sinne von Behandlung und Rehabilitation und nicht als Bestrafung.

Glaube ich, dass das Justizsystem und seine Strafen gerecht ist, oder bedarf es einer Reform?

Ich denke, das Justizsystem ist reformbedürftig und ich glaube (wie  oben beschrieben), unser Land sollte die Justiz eher als Mittel zur Behandlung und nicht zur Bestrafung sehen. Unser Justizsystem ist von Extremen des rechten Flügels übernommen worden und das spiegelt sich auch in den Funktionen des Systems wieder. Es wäre auch nicht gut ein zu liberales Justizsystem zu haben. Ein ausgewogenes Mittelmass sollte gefunden werden.

Das war's für heute. Ich werde versuchen, bald noch mehr Fragen zu beantworten. Ich denke, ich habe die meisten Fragen, die mir geschrieben wurden schon beantwortet, aber andererseits denke ich, es ist einfacher Fragen zu stellen, als sich das alles selbst durchzulesen.

Frieden,
Dean