Kolumne 4
Der Ost-Block ist ein altes Gebäude, errichtet in den 30iger
Jahren. Ein höhlenartiges, dunkles, lautes und übelriechendes
Bauwerk, das eiskalt im Winter ist und erstickend heiß im
Sommer. Die Zellen sind in die Mitte des Zellenblocks gebaut.
Ungefähr in lo m Entfernung gegenüber den Zellen sind
Fensterreihen, welche Licht hereinlassen, aber es ist ein
gedämpftes Licht, gefiltert durch den Dreck und den Schmutz auf
den Fenstern. An der selben Wand wie die Fenster befinden sich
der obere und der untere Schießgang. Der obere Schießgang
beobachtet die oberen Stockwerke, der untere die unteren.
(Jeweils) eine Wache schreitet mit einem Maschinengewehr die
Länge des Traktes ab. Alle Wachen, die sich nicht auf den
Schießgängen befinden, müssen kugelsichere Westen tragen, so
daß sie geschützt sind, falls bei einem Zwischenfall geschossen
wird.
Die Zellen sind sehr winzig, etwas über 1,2o m breit und ein
bißchen länger als 3m. Jede Zelle hat ein Bett aus Stahlplatten
(kein sehr langes Bett, meine Füße hängen über das Ende
hinaus), Waschbecken, Toilette aus rostfreiem Stahl, ein
Ablagebrett und ein Licht mit einem Stecker.
Ich habe bereits erwähnt, daß Du, wenn Du das Geld hast,
einen Fernseher und ein Radio mit Kassettenrekorder kaufen
kannst. Du kannst außerdem eine Schreibmaschine bestellen,
Kassetten, Bücher und Farbbänder für die Schreibmaschine. Bis
vor einem Jahr erlaubte das Gefängnis, diese Dinge direkt beim
Handel zu bestellen, Sears oder Pennys, aber sie haben das
geändert, so daß Du nun alles über das Gefängnis bestellen
mußt, und sie verlangen lo % Gebühr (oder San-Quentin-Steuer)
für alles, was Du bestellst. Dies ist zusätzlich zu der,
jeweiligen staatlichen oder örtlichen Steuer, die Du bezahlen
mußt. Außerdem schreibt das Gefängnis jetzt vor, bei welchem
Händler Du bestellen kannst. Ich weiß nicht, wie die Liste der
genehmigten Händler zustande kam, vielleicht gibt es da
Ausschreibungen und Bewerbungen, aber diese Händler müssen ein
ziemlich lukratives Geschäft machen, da wir gezwungen sind, so
ziemlich alles bei ihnen zu kaufen. Das macht es schwierig für
jemanden wie mich, früher habe ich im allgemeinen meine Freunde
gefragt, ob sie Farbbänder oder Bücher in einem Laden bestellen
und an mich schicken lassen könnten, aber jetzt, da ich alles
über das Gefängnis bestellen muß, habe ich überhaupt nichts
bestellen können. Ich bin nicht sicher, wo der Unterschied
liegt, aber es hat mir nichts ausgemacht, Freunde darum zu
bitten, etwas für mich zu bestellen; aber es., ist mir
unangenehm, sie darum zu bitten mir Geld zu schicken, damit ich
dasselbe bestellen kann.
Es gibt eine Anzahl von Geschichten über den Todestrakt, die
einfach nicht wahr sind. Diese Geschichten scheinen meistens von
Gruppen verbreitet zu werden, die als Aushängeschilder für die
Staatsanwaltsvereinigunen oder die Organisationen der
verschiedenen Vollstreckungsbehörden dienen. Die eine, die ein
beliebtes Sprachrohr für diese Vereini- gungen zu sein scheint,
ist die Organisation zur Vertretung der Rechte von Opfern
(Victims Rights Organisation). Diese Organisation scheint deshalb
ein bevorzugtes Sprachrohr jener Vereinigungen zu sein, da die
Medien es lieben, etwas über sie zu bringen, so daß die
Juristenvereinigungen durch sie ihre Interessen in einer Weise
fördern können, die viel öffentliche Unterstützung bekommt .
. . und die Medien können keine Chance ungenutzt lassen, die
eine öffentliche Reaktion hervorrufen wird, obwohl sie wissen,
daß die Opfer-Rechts-Gruppen im Grunde als Fassade für die
Juristen-Vereinigungen dienen.
Eine der Geschichten über den Todestrakt besagt, daß wir
alle Kabelfernsehen haben. Das ist nicht wahr. San Quentin hat
eine Steckdose in jeder Zelle, an die Du das Kabel Deines
Fernsehers anschließen kannst, aber sie ist mit einer
Zentralantenne verbunden, welche es Dir erlaubt, die
Fernsehkanäle und ein paar durch das Gefängnis eingespeiste
Programme zu empfangen.
Eine andere Geschichte, die ich in den Nachrichten gesehen
habe und die nicht wahr ist, besagt, daß wir Klimaanlagen in den
Zellen hätten. Wenn es im Todestrakt Klimaanlagen gibt, dann ist
das eines, der bestgehüteten Geheimnisse hier. Im Winter ist es
so kalt in den Zellen, daß Du manchmal Deinen Atem in der Luft
sehen kannst. Es gibt Zeiten, wo ich mit 3 oder 4 Paar wollenen
Socken, langen Unterhosen und einem Sweater, wenn ich einen habe,
ins Bett gehe. Alles dies habe ich mir selbst kaufen müssen. Ich
weiß nicht, was die tun, die nicht genug Geld für diese Dinge
haben, wenn es so kalt wird. Im Sommer wird es so heiß, daß Du
nur alle Kleidung stücke ausziehen und in Unterhosen oder nackt
und ohne Dich zu bewegen auf Deinem Bett liegen kannst.
Die vielleicht größte Lüge, die von den Medien verbreitet
und von diesen speziellen Interessenvertretungen erzählt wird,
behauptet, daß wir hier im Todestrakt Jahre damit verbringen,
die Gerichte zu manipulieren und uns ins Fäustchen zu lachen.
Diese Gruppen wissen verdammt gut, daß das nicht wahr ist. Der
Grund dafür, daß wir so lange im Todestrakt sind, liegt in dem,
was diese Gruppen getan haben. Sie haben Politiker und Gerichte
beeinflusst, die ein Gesetz nach dem anderen verabschieden,
welches es für einen Häftling im Trakt immer schwieriger
machen, den Revisionsprozeß zu durchlaufen. Sie haben es so
schwierig gemacht, daß viele der Rechtsanwälte, die
normalerweise Revisionssachen für Verurteilte in die Hand nehmen
würden, aufgehört haben, unsere Fälle zu übernehmen, da es
einfach nicht die Kopfschmerzen wert ist, die sie bekommen
würden.
Ich bin seit über lo Jahren inhaftiert. Fast die Hälfte
dieser Zeit habe ich damit verbracht, auf einen Anwalt zu warten,
der sich meines Falles annehmen würde. Ich habe fünf Jahre lang
gewartet, bis ich einen Anwalt bekommen konnte, der meine
Berufung in die Hand nahm. Und meine Situation ist auch nicht
ungewöhnlich. Ich kenne jemanden, der über 4 Jahre auf einen
Rechtsanwalt gewartet hat, der seinen Fall übernehmen würde,
und es sieht nicht so aus, als würde sich das bald ändern. Ich
weiß dies nicht mit Sicherheit, aber ich habe von einem gehört,
der fast sieben Jahre auf einen Rechtsanwalt für seine Revision
gewartet haben soll.
Aber diese speziellen Interessenvertretungen behaupten, daß
wir es seien die all diese Zeit damit verbringen, die
Gerichte zu manipulieren und unser Revisionsverfahren zu
verzögern . . . Nun, da es diese Gruppen für uns fast
unmöglich gemacht haben, Rechtsanwälte für unsere
Revisionsverfahren zu finden, versuchen sie ein Gesetz
durchzubringen, welches die Zeitspanne begrenzen wird, die wir
haben um Anträge oder Klagen zu Rechtsfragen einzureichen, die
unseren Fall beeinflussen können. Dabei sagen sie daß wir ja
all die Zeit gehabt hätten, die wir im Todestrakt sitzen,
um uns um diese Fragen zu kümmern. Da wir das aber nicht getan
hätten, sollten wir nach so langen Verzögerungen auch keine
Möglichkeit mehr dazu haben. Ich weiß, daß es einige Leute
gibt, die sich wegen dieser Verzögerungen ins Fäustchen lachen,
aber mit Sicherheit ist es keiner von denen, die hier im
Todestrakt sitzen. (Selbst-Gerechtigkeit in Amerika!)
Ich hatte etwas mehr über das Leben im Ost-Block reden
wollen, aber ich scheine auf ein Nebengleis mit anderen Themen
geraten zu sein. Es wird bis zu einem anderen Mal warten können,
aber für jetzt verabschiede ich mich.
Bis später,
Dean