Kolumne 19
Als ich das letzte Mal schrieb, sprach ich über Tom's
Exekution und darüber, daß sie einen Mann hinrichten würden,
der Beweise für seine Unschuld habe. Nun, letzteres war
anscheinend ohne Bedeutung, denn Tom wurde trotzdem hingerichtet.
Offensichtlich war man nicht der Meinung, die Tatsache, daß er
wahrscheinlich unschuldig sei, biete einen Grund, die Hinrichtung
aufzuhalten, und das einzige, was zählt, sei, daß dem Gesetz
Genüge getan wurde. Wenn man diese Logik anwendet, dann sagen
die Gerichte damit, daß Unschuldige hingerichtet werden dürfen,
solange der Staat die Gesetze einhält. Eines der Dinge, die mich
wütend machten, ist die Tatsache, daß der Staat 15 Jahre lang
Beweismaterial besaß, welches Tom's Unschuld hätte beweisen
können, und daß er dieses während der ganzen Zeit vor Tom's
Rechtsanwälten verbarg. Als diese dann herausfanden, daß
solches Beweismaterial existierte, versuchten sie ein neues
Verfahren durchzusetzen, in dem eine Jury die Beweise hätte
untersuchen und dann entscheiden können, ob Tom unschuldig war.
Nun, sowohl der Staatsanwalt als auch der Gouverneur (von
Kalifornien) behaupteten, dies sei lediglich eine Taktik der
Anwälte, um Zeit herauszuschlagen. Ich war erstaunt, daß sie
die Stirn hatten, so eine Lüge zu erzählen. Aber ich nehme an,
sie konnten nicht gut sagen: "Ja, wir haben 15 Jahre lang
Beweismaterial unterschlagen, welches Tom die Freiheit hätte
wiedergeben können". Zu schade, daß ein Vertreter der
Anklage darüber entscheiden kann, welche Beweise untersucht
werden. Ich nehme an, es ist keine Überraschung, daß sie genau
das Beweismaterial unterdrücken, das eine Verurteilung aufheben
würde. Zu schade, daß das Tom das Leben gekostet hat.
Offensichtlich haben wir mal wieder ein Wahljahr (Wahlen in
Kalifornien Ende 1998). Ich höre dauernd (in diesen Wahlspots im
Fernsehen) wie sehr dieser oder jener Kandidat die Todesstrafe
unterstützt und wer aus seiner politischen Vergangenheit als
besserer Befürworter der Todesstrafe bekannt ist. Es erscheint
merkwürdig, daß es normal oder sogar notwendig ist, daß
jemand, der für ein politisches Amt kandidiert, sich damit
brüsten muß, wie sehr er die Tötung von Menschen unterstützt.
Zu schade, daß sie nicht genauso viel Energie für die
wirklichen Probleme, wie Erziehung und Ähnliches, aufbringen.
Da ich beim Thema Politik bin, möchte ich ein paar
Anmerkungen zu diesem 'Clinton-und-Lewinski-Skandal'
machen. Dies scheint zur Zeit in Amerika die einzig wichtige
Sache zu sein (zumindest könnte man das annehmen, wenn man
unsere Fernsehnachrichten sieht oder unsere Zeitungen liest). Die
Tatsache, daß unsere Wirtschaft einen heftigen Schlag zu
erwarten hat (durch die Probleme in Asien und Russland), ist
nicht so wichtig, wie die Frage, was Clinton mit seiner Zigarre
gemacht hat. Manches in dieser ganzen schäbigen Affäre fällt
mir als reichlich ironisch auf. Ich habe mit Ed (dem diese
Website gehört) darüber gesprochen, wie die Nachrichtenmedien
einen sehr wichtigen Faktor in dieser ganzen
Starr/Clinton-Geschichte ignoriert haben.
Eines der 'dicken Dinger' während Clintons Präsidentschaft
ist sein (und Gore's) Kampf gegen die Tabakindustrien, und
letztere haben einige Schläge einstecken müssen seit Clinton
sein Amt antrat. Nun, was die sogenannten 'seriösen
Nachrichtenmedien' der Öffentlickeit nicht erzählt haben,
ist die Tatsache, daß Starr über Jahre ein wichtiger Anwalt
für die Tabakfirmen war, und daß er noch heute von ihnen
bezahlt wird. Ich finde es sehr eigenartig, daß die Medien die
Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in letzter Zeit nicht darauf
gelenkt haben. Ganz am Anfang von Starr's Untersuchung des
Whitewater-Falles (erinnert sich noch jemand an Whitewater?)
wurde es erwähnt, aber danach nicht mehr. Mir scheint dies ein
wichtiges Detail zu sein, über das die Öffentlichkeit Bescheid
wissen sollte.
Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut kein Bewunderer
von Clinton, aber ich nehme an, er ist besser als die möglichen
Alternativen. Ich habe jegliche Achtung für ihn verloren als er
noch Gouverneur von Arkansas war und Hinrichtungen zur Förderung
seiner politischen Karriere benutzte.
Einer der ironischen Aspekte liegt darin, wie Clinton sich vor
das amerikanische Volk hinstellt und gesteht, daß er falsch
gehandelt hat, und wie er die Leute um Vergebung anbettelt und
Gott bittet, er möge ihm seine Sünden vergeben und all' den
anderen Quatsch. Mir scheint, daß Häftlinge im Todestrakt ihn
um Vergebung, Mitgefühl und Verständnis gebeten haben, als sie
hingerichtet werden sollten - mit anderen Worten, um all' das,
worum Clinton das amerikanische Volk jetzt bittet. Er hatte
damals nicht allzuviel Vergebung in seinem Herzen - ich wüßte
gerne, warum er denkt, daß er es verdient, anders behandelt zu
werden. Überdies sind die Amerikaner nicht die Sorte Mensch, die
leicht vergibt. Man macht einen Haufen Lärm um die Bereitschaft
zur Verzeihung, aber wenn es zur Sache kommt, dann ist da nicht
viel Mitgefühl zu finden. (Wir sind besser darin, über
Mitgefühl zu reden, als irgend jemand sonst in der Welt, aber es
ist nur Gerede.)
Was ich am Starr-Report sehr interessant fand und an der Art,
wie all' dies behandelt wurde, war das, was der Bericht im
Wesentlichen enthielt (wenn man sagen kann, daß ein Report über
Sex etwas Wesentliches enthält). Wenn Anklagevertreter es mit
einem Angeklagten zu tun haben, von dem sie glauben, daß die
Geschworenen ihn sympathisch finden könnten, dann besteht eine
der üblichen Taktiken darin, ihn nach Möglichkeit in
Verlegenheit zu bringen, ihn zu demütigen und zu entwürdigen
und ihn in den Augen der Jury weniger menschlich erscheinen zu
lassen. Es scheint, daß vieles in diesem Report von Starr darauf
anlegt, genau das zu erreichen. Die Konservativen wissen, daß
Clinton ein populärer Präsident ist und daß es schwierig
wäre, die Unterstützung des amerikanischen Volkes gegen ihn zu
bekommen. So können sie ihn 'entmenschlichen', indem sie ihn
demütigen und in Verlegenheit bringen und damit die
Aufmerksamkeit der Leute von den wichtigen Aspekten ablenken und
auf den Unsinn (im Report) richten, der obszön und erniedrigend
ist, aber nicht ungesetzlich. Ich fand es interessant zu sehen,
wie sie diese Taktik gegen Clinton einsetzten. Ich nehme an, daß
man daran erkennen kann, wie geübt sie darin sind, ihre
Tagesordnung durchzubringen. Es geht nicht um Gerechtigkeit,
sondern eher um Demütigung und darum, den Präsidenten
Peinlichkeiten auszusetzen bis zu dem Punkt, wo ihn die Leute
nicht mehr unterstützen - und darum, daß dann die Republikaner
zur Stelle sein können, um den Lohn einzuheimsen. Es erinnert
mich an jenen niederträchtigen Kerl, der der Freundin seines
Freundes erzählt: "Dein Freund betrügt Dich"
und ihr seine Schulter zum Ausweinen anbietet, und der dann
versuchen wird, sich auf diesem Weg bei ihr einzuschleichen.
Keine allzu gute Analogie, aber ich hoffe Ihr wisst, von was für
einem Typen ich rede.
Ich denke, dies ist genug über den Clinton-Skandal. Mir
hängt er zum Halse heraus, und ich bin sicher, daß es Euch
ebenso geht. Ich hoffe nur, daß die Konservativen bekommen, was
ihnen zusteht für das, was sie dem Land im Verlauf ihrer
Politikspiele angetan haben und dafür, daß sie versucht haben,
das amerikanische Volk zu manipulieren. Das Traurige ist, daß -
meinem Eindruck nach - Amerika anfängt mitzuspielen. Naja, von
einem Land, das Reagan für zwei Amtszeiten gewählt hat, kann
man nicht gerade die schlauesten Leute erwarten, und anscheinend
stellen sie das erneut unter Beweis. Ich denke, ich mache hier
Schluß. Ich hoffe, es war nicht zu langweilig und daß etwas
Interessantes dabei war. Wenn nicht . . . na gut. Ich hoffe, bald
zurück zu sein und mit Euch zu reden.
Bis später,
Dean