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15  Januar,  2001

Kolumne 29

Dieses Wochende ist der Martin-Luther-King Gedenktag und ich dachte mir, ich schreibe mal wieder ein bisschen.
Ich habe mich mit jemandem (hier drinnen) über Martin Luther King unterhalten, über das, was er vollbracht hat ehe er ermordet wurde. Während unseres Gesprächs kamen wir zu dem Thema, dass es gerade mal 50 Jahre her ist, als Diskriminierung und Rassismus in Amerika an der Tagesordnung waren.  Wie das weisse Amerika zu jener Zeit das alles als normal empfand, weder unnatürlich und ungerecht oder gar als falsch.
Eine der Fragen über die wir sprachen war, warum es (heute) so schwer ist jemanden aus der Zeit der Bürgerrechtsbewegung zu finden, der zugibt, dass er die Rassentrennung und den Rassismus zugelassen hat. Entweder nur rein philosophisch oder weil er nicht seine Stimme dagegen erhoben hat und den Menschen gesagt hat, dass ihre Ansichten falsch sind. Man kann schliesslich auch durch Schweigen seine Zustimmung ausdrücken.

Da diese Generation nunmehr selbst in dem Alter ist, um Enkelkinder zu haben, fragten wir uns, was sie denen wohl über ihre eigene Rolle in diesem Kampf für die Gleichbehandlung erzählen. Ein bisschen zynisch meinte ich, wahrscheinlich erzählen sie ihren Enkeln davon, wie sie marschiert sind und protestiert und Änderungen gefordert haben. Vielleicht ist das unfair, aber ich denke die meisten dieser Leute würden niemals zugeben, dass sie den Rassismus und die Diskriminierung zu jener Zeit unterstützt haben, bzw. unentschlossen waren und deswegen nichts getan haben.

Nach dem Gespräch sass ich hier und dachte darüber danach, und ich konnte mich nur über die heutige Generation wundern.
Was will die ihren Enkeln in 50 Jahren erzählen, wenn sie von ihnen nach der Todesstrafe gefragt wird und was sie versucht hat, dagegen zu unternehmen. Ich sage dies weil ich sicher bin, das es in 50 Jahren in den USA keine Todesstrafe mehr geben wird. Die heutige Bevölkerung wundert sich darüber, wieso man vor 50 Jahren Rassentrennung und Rassismus unterstützen konnte. Und genau das wird man in 50 Jahren über die Menschen von heute in Bezug auf die Todesstrafe denken. Mit Unterstützung meine ich, entweder duch ihre Unentschlossenheit und Untätigkeit oder durch offenkundigere Art und Weise.
Ich vermute, wenn Eure Enkelkinder eines Tages auf Eurem Knieen sitzen und fragen, was Ihr gegen die Todesstrafe unternommen habt werden Ihr ihnen antworten, dass Ihr dagegen gekämpft haben. Und wie fürchterlich es für Euch war, dass die Regierung so etwas zugelassen hat. Trotzdem bezweifle ich, ob Eure Enkel noch das gleiche gegenüber ihren Grosseltern empfinden würden, wenn sie in Ihre Gedanken schauen und die Wahrheit sehen könnten.

Vor einiger Zeit habe ich einen Brief bekommen, in dem ich gefragt wurde, warum ich nie über den Rassismus im Zusammenhang mit der  Todesstrafe schreibe und darüber, dass der überwiegende Teil der Verurteilten Farbige sind. Ich war mir nicht sicher, wie ich diese Frage beantworten sollte. Zwar bin ich kein Farbiger, aber ich sehe schon die Unterschiede bei der Verurteilung von Minderheiten im Hinblick auf die Todesstrafe. Es sind nicht nur die Schwarzen, sondern auch bei den meisten anderen Minderheiten ist der prozentuale Anteil an Todesurteilen im Vergleich zu Weissen höher.
Ich glaube, ich habe nie darüber gesprochen weil ich der Meinung war, es wäre allgemein bekannt welche Rolle die Rasse einer Person bei seiner Verurteilung zum Tode spielt. Zudem weiss ich nicht genau wie die Verteilung der Rassen in den Todeszellen von Kalifornien aussieht, aber wenn ich mich richtig erinnere, gehören ungefähr 55% von ihnen Minderheiten an. Ich meine, daran sieht man ziemlich deutlich wie ausgeprägt der Rassismus in Amerika immer noch ist.
Nicht nur bei Verhängung der Todesstrafe kann man Rassismus im Justizsystem erkennen. Er ist in jedem Bereich der Strafverfolgung erkennbar. Und weit darüber hinaus weil er in der Struktur dieser Gesellschaft seine Wurzeln hat.
Nämlich den‘Besitzenden’  und den ‘Habenichtsen’ . Ich habe keinen Zweifel daran, das in den nächsten vier Jahren unter Präsident Bush die  'Besitzenden’  noch mehr bekommen werden und die ‘Habenichtse’  eher noch weniger.
Man wird sehen, dass daraus ein Anstieg der Kriminalität entstehen wird und noch viel mehr Leute ins Gefängnis geschickt werden. Die neuen erbarmungsvollen Konservativen werden dafür schon sorgen.

Ein Freund fragte mich, wieso ein G.W. Bush inhaftiert werden konnte, Drogen- und Alkoholproblem hatte und heute sagen kann, dass waren nur Jugendsünden. Für ihn ist das selbstverständlich und er erwartet, dass die Menschen ihm das nicht weiter übelnehmen und seine Vergangenheit vergessen und verzeihen. Jedoch, wenn Bush selbst die Chance hat zu vergeben oder die Jugendsünden anderer zu verstehen, ist er dazu nicht bereit, sondern schickt sie für lange Zeit ins Gefängnis.
Nicht nur Bush hat diese Einstellung. Es scheint eine gemeinsame Übereinkunft bei den meisten Politikern in diesem Punkt zu herrschen. Und es ist eine absolute Heuchelei derjenigen , die in ihrer Vergangenheit Drogen- oder Alkohlprobleme hatten und die es geschafft haben, der Hölle zu entkommen. Nun, da sie Politiker sind, sehen sie die Dinge anders und vertreten die Ansicht, jeder andere in dieser Situation sollte eingesperrt werden.

Während des letzten Wahlkampfs wurde in Kalifornien ein Prop 36 genannter Gesetzesentwurf eingebracht. Dieses Gesetz soll festlegen, dass  Drogenabhängige, die nicht gewaltätig sind, eine Therapie bekommen und nicht im Gefängnis landen. Es gibt jede Menge Politiker, die diesen Gesetzentwurf nicht unterstützen. Stattdessen sind sie der Ansicht, dass man alle Drogensüchtigen in das Gefängnis schicken sollte.
Ich bin gespannt, wie dieser Gesetzentwurf voran kommt, habe aber inzwischen das Gefühl, dass einige Politiker es erst gar nicht verabschieden wollen. Es gibt zu wenig Fachpersonal und Einrichtungen und für diese Programme ist wenig Geld vorgesehen. Das hat zur Folge, dass Drogenabhängige nicht entsprechend behandelt werden können. Ich bin mir ziemlich sicher, dieses Gesetz wird eines von jenen, dem man wenig finanzielle Mittel zur Verfügung stellen wird. Deswegen muss es scheitern. Und die Politiker können dann der Öffentlichkeit erzählen, "schaut, das war eine schlechte Idee und hat nicht funktioniert. Also schicken wir die Dogensüchtigen wieder in das Gefängnis".
Ich hoffe, ich irre mich, doch im Moment scheint es darauf hinauszulaufen. Man wird sehen. Die Ironie bei der Geschichte ist, dass die Unterstützung für diese Programme den Steuerzahler viel weniger kosten würde, als wenn man diese Leute ins Gefängnis steckt. Mehr noch, man könnte das so eingesparte Geld dazu verwenden, um die Programme noch weiter auszubauen.
Die Entzugsbehandlungen in den Gefängnissen sind eher symbolischer Natur. Als Beweis führe ich Robert Downey Jr. an, der während seines Gefängnisaufenthalts kaum Hilfe bei der Bekämpfung seines Drogenproblems bekam.

Gesetzentwurf 36 ist eine gute Idee und kann Erfolg haben wenn er entsprechend umgesetzt wird. Ebenso ist es notwendig, dass für Leute, die im Zusammenhang mit Drogen andere Vergehen begangen haben, Alternativen zum Gefängnis gefunden werden. In den letzten 30 Jahren hat sich das System nur noch auf Bestrafung konzentriert, aber nicht auf Rehabilitation. Dadurch sitzen heute in amerikanischen Haftanstalten mehr Menschen als in jedem anderen Land der Welt. Nach 30 Jahren des Versagens ist es an der Zeit Alternativen zum Gefängnis zu finden und auszuprobieren.
Es ist traurig, dass so viele Politiker so fest in ihrer geistigen Einstellung erstarrt sind, indem sie glauben, sie müssten bei jedem Verbrechen streng duchgreifen. Es scheint, als wenn sie Angst vor jeder Neuerung hätten bloss um nicht in den Ruf zu geraten, nachgiebig bei Straftaten zu sein oder nicht hart genug gegen Verbrecher vorzugehen. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Definition von Geisteskrankheit folgende sei: immer und immer wieder das gleiche zu versuchen, obwohl es jedesmal schiefgeht. Die exakte Formulierung weiss ich leider nicht mehr, aber sinngemäss sollte das damit ausgedrückt werden.
Vielleicht ist es an der Zeit etwas Vernunft in das System zu bringen und andere Wege zu beschreiten. Und den Teufelskreis, in dem das Justizsystem sich befindet, zu beenden.

Okay, das war es erst mal wieder, aber ich hoffe bald zurück zu sein. Passt auf Euch auf.

Frieden,
Dean