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Kolumne 6

Das Leben im Todestrakt ähnelt diesem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier". Ein Tag ist genau wie der Tag davor und genau, wie der kommende Tag sein wird. Es gibt ein paar Ausnahmen. Wenn Du Familie oder Freunde hast, die willens sind, Dich zu besuchen, dann wirst Du gelegent-lich Besuch bekommen. Außerdem wird in regelmäßigen Abständen der Zellen-block durchsucht. Sie kommen in Deine Zelle während Du in Handschellen bist und durchsuchen Dein ganzes Eigentum. Tatsächlich hatten wir das gerade letzte Woche. Wenn Du einen Rechtsanwalt hast, bekommst Du viel-. leicht auch mal juristischen Besuch. Abgesehen davon ist ein Tag ziemlich genau so wie der nächste. Es gibt keinen Unterschied zwischen Wochentagen und Wochenenden oder Feiertagen, außer daß an Wochenenden und Feiertagen keine Post ausgeteilt wird.

Du kannst Dich in eine Telefonliste eintragen. Es gibt pro Stock ein Telefon, so daß 54 Jungs konstant versuchen, jeden Tag ein bißchen Telefonzeit zu ergattern. Nicht jeder hat jemanden, den er anrufen könnte, aber unter den anderen ist es ein ständiges Problem, einen Zeitpunkt zum Telefonieren zu arrangieren. Das Telefon ist auf einem Wagen mit Rädern installiert, und es wird entsprechend dem Zeitplan von Zelle zu Zelle gefahren. Ab und zu wirst Du um Deine Telefonzeit gebracht, wenn die Wache auf Deinem Stockwerk keine Lust hat, hinzulaufen und das Telefon weiterzuschieben, wenn Du dran bist, oder wenn er/sie mit etwas anderem beschäftigt ist.

Wenn das Telefon zu Deiner Zelle gebracht wird, öffnen sie die Essensklappe, Du ziehst den Hörer in Deine Zelle und langst dann durch die Klappe, um die Nummer zu wählen. Wir können nur R-Gespräche führen, und die Gespräche werden über Computer vermittelt. Ich gehöre zu den Glücklichen, die einige Freunde haben, die ich regelmäßig anrufe. Ich denke, manche von meinen Freunden müssen zusammenzucken, wenn sie ans Telefon gehen, und da ist ein Computer dran, der sie fragt, ob sie ein R-Gespräch von mir annehmen. Natürlich betont der Computer, daß ich aus einem kalifornischen Staatsgefängnis anrufe. Während des Anrufes wird Dein Gespräch alle 30-45 Sekunden durch ein Tonband unterbrochen, welches darauf hinweist, daß dies ein Anruf aus einem kalifornischen Staatsgefängnis ist. Ich bin daran gewöhnt, aber ich denke, daß es manche meiner Freunde wirklich ärgert, daß ein Gespräch, für das sie bezahlen, auf diese Weise unterbrochen wird.

Post ist die eine Sache, auf die man sich hier freut, obwohl es lange dauert, bis sie Dir ausgehändigt wird, nachdem sie im Gefängnis angekommen ist. Ich habe schon Briefe gehabt, die sechs Wochen in der Poststelle lagen, ehe ich sie bekam. Vor ein paar Jahren wurde Anfang Dezember eine Karte an mich geschickt, die ich dann schließlich Ende Januar erhielt. Während der Weihnachtszeit verlangsamt sich die Post von den üblichen 2-3 Wochen auf 4-5 Wochen. Ich weiß nicht, warum es 2-3 Wochen dauert, um einen Brief zu öffnen und sicherzugehen, daß er nichts Verbotenes enthält.

Ich habe während des letzten jahres aufhören müssen, an manche meiner Freunde und an fast meine ganze Familie zu schreiben, da ein Politiker die Idee hatte, das Gefängnis zum Zwecke der Verbrechensbekämpfung in großen, leuchtend-roten Buchstaben auf Deinen Brief stempeln zu lassen, daß er aus dem Staatsgefängnis von San Quentin ist. Ich habe gehört, daß ein paar von den über loo ooo Häftlingen, die es in Kalifornien gibt, die Post mißbraucht hatten, und da er Politiker ist, liegt für ihn die Lösung für alles in der Verabschiedung eines Gesetzes, statt sich mit den paar Leuten zu beschäftigen, die mit etwas Mißbrauch treiben. Wegen dieses roten Stempels haben mich einige meiner Freunde gebeten, ihnen nicht mehr zu schreiben, da es ihnen Probleme verursache, wenn andere diesen Stempel sähen. Ich habe aufgehört, an meine Familie zu schreiben, denn sie leben alle in Kleinstädten, und einen Brief mit dem Stempel vom Staatsgefängnis San Quentin zu bekommen, würde zu Klatsch und Tratsch führen und meiner Familie eine Menge Demütigungen verursachen. So habe ich halt aufgehört, ihnen zu schreiben. Ich bin sicher daß ich in dieser Situation nicht allein dastehe. Da auf jedem Brief eines Gefängnisinsassen der große, rote Stempel sein muß, bin ich sicher, daß das manche gründlich von ihren Freunden und Familien abgeschnitten hat.

Im Todestrakt sind an vier Tagen in der Woche Besuche, erlaubt. Das waren mal mehr, aber jetzt, wo es viel mehr Jungs hier im Trakt gibt, beschneiden sie die Besuchszeiten. So gibt es jetzt viel mehr Besucher und viel weniger Zeit. Es ist nur eine bestimmte Anzahl von Besuchern im Besuchs-raum gestattet, deshalb fangen die Wachen an, Besuche abzubrechen, wenn er voll besetze ist. Eine Freundin, die den weiten Weg aus England zu Besuch gekommen war, wurde nach einer Stunde oder, so fortgeschickt.

Unnötig zu sagen, daß sie bestürzt war, daß ihr Besuch nach so kurzer Zeit vorbei war, nachdem sie von so weit gekommen war. Der Besuchsraum ist von 8 Uhr morgens bis 2 Uhr Mittags geöffnet. Sobald ein besucher ankommt sollte die Wache kommen, um Dich zu holen und in den Besuchesraum zu be gleiten. Aber es ist nicht unüblich, daß Besucher eine Stunde und länger warten müssen, ehe die Wache endlich kommt, um denjenigen zu holen, den zu sehen sie gekommen sind. Außerdem werden Besucher manchmal von den Wachen schikaniert und schlecht behandelt. Ich habe sogar davon gehört, daß junge Frauen von männlichen Wachen belästigt werden. Ich rate Leuten davon ab, mich zu besuchen, weil ich nicht will, daß jemand, den ich mag, den ganzen Weg hierher kommt, nur um dann mit einem Haufen Scheiß´ konfrontiert zu werden. Außerdem mag ich Menschen, die mir nahestehen, nicht einer Umgebung wie dieser hier aussetzen. Ich höre von Leuten, die zu einem Besuch ins Gefängnis kommen, die aber, wegen allem, was sie durchmachen mußten, nie wieder einen Besuch machen. Und das gilt für alle Gefängnisse in Kalifornien, nicht nur für den Todestrakt hier.

Das wirft für mich einige Fragen auf. Strafvollzugs - und Strafrechtsexper-ten stimmen alle darin überein, daß einer der Schlüssel für die Erlalngung und Erhaltung der Freiheit für einen Häftling in der Familie liegt und in der Unterstützung durch Freunde nach der Entlassung. Es ist kein Geheimnis, daß die Häftlinge, die bei ihrer Entlassung jemand haben, der für sie da ist, eine viel höhere Erfolgsrate darin haben. Worüber ich mich wundere ist, warum es so scheint als gebe es von einem Teil des (Gefängnis-)Systems das Bestreben, einen Keil zwischen den Häftling einerseits und seine Familie und Freunde andererseits zu treiben. Es scheint logisch zu sein, daß das System wäre es wirklich aufrichtig darin, daß Häftlinge davor bewahrt werden sollten ins Gefängnis zurück-zukommen, und wenn es alles täte, was es irgend dafür tun kann, daß es dann dafür sorgen würde, daß es starke Bindungen zwischen den Häftlingen und ihren Familien gibt, und mit denen, die für den Erfolg des Häftlings in der realen Welt eine Schlüsselrolle spielen. Die einzige Folgerung, zu der ich kommen kann, heißt, daß das Scheitern so geplant ist.

Es scheint, daß ich hier vom Thema abgekommen bin, ich werde also darauf zurückkommen, über den Todestrakt zu sprechen. Eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird, betrifft die Mahlzeiten hier. Wie ich in einer früheren Kolumne erwähnt habe, werden zwei Mahlzeiten ausgeteilt, Früh-stück und Abendessen. Das Frühstück besteht meistens aus einem Instant-getreidegericht, wie Hafergrütze, mit etwas dazu, etwa einem gekochten Ei oder ein paar Pfannkuchen, und natürlich das Leibgericht, Instant-kartoffeln mit Bratensoße. Es gibt immer ¼ l Milch und vielleicht 1/8 l Saft oder einen Apfel oder eine Orange. Das Abendessen besteht normalerweise aus irgendeinem Bohnen -, Reis- oder Nudelgericht. Einmal in der Woche gibt es außerdem Hähnchen oder eine Scheibe Roastbeef, aber meistens gibt es Hot Dogs oder Fischpastetchen.

An manchen Feiertagen, wie Weihnachten, haben sie vielleicht ein besonderes Gericht. Vor ein paar Jahren teilte das Gefängnis zu Weihnachten Steak aus. Als ich hörte, was es gebeb würde, freute ich mich darauf, denn ich hatte seit Jahren kein Steak gehabt. Ich war eingeschlafen als der Essenswagen an meine Zelle kam, und ich stand gespannt auf und spähte durch den Maschendraht, um die Wache zu beobachten, wie er meinen Teller ausgab. Ich sollte erwähnen, daß alle unsere Mahlzeiten auf Papptellern serviert werden, und die Utensilien sind Plastiklöffel und - gabeln, wie die, die Ihr beim Picknick benutzen würdet. Die Wache schob das Tablett durch die Essensklappe, und ich setzte mich auf mein Bett, um zu essen. Wir haben keine Tische oder ähnliches, so stellt jeder seinenTeller auf seine Knie oder aufs Bett. Da es Winter ist, bin ich eingemummt in lange Unterhosen und langes Unterhemd, plus ein dickes Paar Wollsocken und um den Kopf ein buntes Tuch, um mein langes Haar aus dem Gesicht zu halten. Da ich gerade aus dem Bett kam, war mein Haar zerwühlt, und ich bin sicher, daß ich wie ein Wilder aussah.

Da der Teller aus Pappe ist und das Besteck aus Plastik, ist es unmöglich, etwas damit zu schneiden. So halte ich also mein Steak fest in den Händen, während ich daran herumnage. Dabei sehe ich aus wie ein Wilder, wie ich da auf meinem Bett sitze und über mein Tablett gebeugt bin, wie ein Hund, der einen Knochen bewacht. Das Steak ist so zäh wie Sohlenleder, und es ist eine echte Aufgabe, etwas davon abzubeißen. Ich habe den Verdacht, daß die verdammte Kuh an Altersschwäche gestorben ist. Wie ich da so sitze und an meinem Stück Fleisch herumkaue, hält die Wache, die den Kaffee bringt, vor meiner Zelle und schaut herein. Ich bin immer noch damit beschäftigt, an diesem Ding herumzunagen, aber ich beobachte ihn aus dem Augenwinkel, und ich sehe, wie er seine Augen aufreißt und ein seltsames Geräusch macht, während er von meinem Gitter zurückweicht. Ich weiß nicht, warum, aber ich fühlte eine eigenartige Befriedigung, weil ich den Kerl erschreckt hatte. Ich nehme an, im Todestrakt nimmt man sich die Belustigung, wo man sie findet. So sehen also unsere Mahlzeiten aus, und eine Weihnachtsgeschichte als Zugabe.

Ich habe dies gerade noch einmal durchgelesen, und es kommt mir langwei-lig vor. Ich bin zu faul, es noch einmal zu überarbeiten, so will ich nur hoffen, daß Ihr durch das Ganze wachbleiben könnt. Ich verabschiede mich für dieses Mal.

Bis bald,
Dean