01/02/03/04/05/06/07/08/09/10/11/12/13/14/15/16/17/18/19/20/
21
/22/23/24/25/26/27/28/29/30/31/32/33/34/35/36/37/38/39/
40
/41/42/43/44/45/46/47/48/49/

 


Kolumne 16

Es ist einige Zeit her, seit ich etwas geschrieben habe. Das tut mir leid. Ich habe mir vorgenommen, diesmal über das Rechtssystem zu schreiben. Ich habe diesen Bereich in der Vergangenheit mehrmals berührt, und anschließend wurde mir vorgeworfen, daß ich das Thema Todestrakt aus den Augen verliere. Ich nehme an, es wäre interessanter, etwas über den Todestrakt zu lesen, aber da man über das Rechtssystem in den Todestrakt kommt, ist es nur logisch, darüber zu sprechen. Außerdem habe ich zu Anfang angekündigt, daß ich über das Rechtssystem sprechen würde. Ihr mögt vielleicht denken, das Rechts- oder Strafjustizsystem sei ohne Interesse für Euch, aber die Gefängnisse sind voller Leute, die genauso dachten. Nun sitzen sie in ihrer Zelle , kratzen sich am Kopf und wundern sich, was zum Teufel eigentlich geschehen ist. Schließlich geht man davon aus, daß so etwas anderen passiert, nicht einem selbst. Es ist etwas, was sehr leicht auch Euch betreffen kann oder jemanden, den ihr mögt, es ist also gut, zu wissen was geschieht.

Ich will versuchen, objektiv zu berichten, aber da ich über Dinge schreiben werde, die ich auf meinem Weg durch das System gesehen und erlebt habe, wird es nicht leichtfallen, immer objektiv zu sein. Deshalb entschuldige ich mich im voraus für alle Fehler. Ich habe nicht vor, über die Ungerechtigkeit des Systems zu toben und zu lamentieren, und ich werde Euch Eure eigenen Schlüsse ziehen lassen. Vielleicht werdet Ihr etwas Hilfreiches lernen, und ich hoffe aufrichtig, daß Ihr Euch niemals persönlich mit dem Rechtssystem auseinandersetzen müßt.

Ein Todesstrafenprozess unterscheidet sich in vielen Punkten von einem regulären Prozess, aber grundsätzlich ist das Verfahren das gleiche. Es ist von (Bundes-) Staat zu Staat verschieden, aber es gibt mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede. Egal, in welchem Staat Du bist, falls Du jemals festgenommen wirst und Dich mit dem Justizsystem auseinandersetzen mußt, sprich niemals mit irgendjemandem über was auch immer zu Deiner Verhaftung geführt hat. Wenn die Polizei möchte, daß Du mit ihnen sprichst - "Nur um die Dinge zu klären" (wie sie es gerne ausdrücken) - sprich nicht mit ihnen, außer um zu sagen, daß Du nur im Beisein eines Anwaltes reden wirst. Sie werden versuchen, Dich dazu zu bringen, daß Du Dir wie ein Idiot vorkommst, weil Du einen Anwalt dabeihaben willst, "nur um ein paar Punkte zu klären". Aber die Polizei verhört Dich nicht, um Dir zu helfen. Vielleicht werden sie versuchen, Dich einzuschüchtern, Dich auszutricksen, damit Du doch redest, und sie können unter Umständen sogar Gewalt anwenden, um Dich dazu zu zwingen, das zu sagen, was sie hören wollen. Einer der größten Fehler, den Leute machen, ist der, zu denken, daß die Behörden einem helfen werden, sich zu entlasten, wenn man sich kooperativ zeigt. Nun, man verhört dich nicht, um Dich zu entlasten. Wenn Du unschuldig bist, dann ist es sogar noch mehr in Deinem eigenen Interesse einen Anwalt zu haben, und wenn Du schuldig bist, dann nehme ich an, daß es umso mehr zu Deinem Nutzen ist, einen Anwalt zu haben, der Dich vertritt.

Nach der Verhaftung stecken sie Dich zunächst in Untersuchungshaft (County jail = Gemeindegefängnis). Die Untersuchungshaft (jail) entspricht nicht dem Gefängnis (prison). In das Gefängnis wirst Du geschickt, wenn Du dessen für schuldig befunden wurdest, weshalb man Dich festgenommen hat. In der Untersuchungshaft findet die ganze erkennungsdienstliche Behandlung statt, Fingerabdrücke, Kopfbilder (für die Verbrecherkartei) und all' das. Wenn Du in Untersuchungshaft gebracht wirst, wirst Du üblicherweise in einem Schlafsaal (Gemeinschaftszelle) enden. Dort wirst Du bis zu Deinem Prozess bleiben. Gemeindegefängnisse sind immer überbelegt, und Du wirst vermutlich auf dem Boden schlafen, bis Du ein Bett bekommen kannst. Es ist üblich, Kämpfe um einen gerade freigewordenen Schlafplatz zu erleben. Nachdem Du einmal in Untersuchungshaft bist, wirst Du herumsitzen und warten bis Du das erste Mal vor Gericht erscheinst und formell dessen angeklagt wirst, weshalb Du verhaftet wurdest. Dies ist auch der Zeitpunkt, wo das Gericht Deine Kaution festlegt und Dir mitteilt, wieviel Geld Du zahlen mußt, um die Zeit bis zur Gerichtsverhandlung nicht in Untersuchungshaft bleiben zu müssen, wenn Du's Dir leisten kannst (die meisten können sich's nicht leisten, die Kaution zu bezahlen). Das Gericht fragt Dich, ob Du einen Anwalt bezahlen kannst und prüft Deine Finanzen oder ob Du irgend etwas Wertvolles besitzt, das sie als Bezahlung für den Rechtsanwalt nehmen können, der Dich vertritt. Da die meisten Angeklagten das sind, was als "mittelloser Angeklagter" (indigent defendant) bezeichnet wird, wird das Gericht einen staatlichen Anwalt mit Deiner Vertretung beauftragen. Dann wird Dein nächster Gerichtstermin festgesetzt, und Du wirst bis zu Deinem nächsten Erscheinen vor Gericht zurück in die Untersuchungshaft geschickt.

Während Du in Untersuchungshaft sitzt, solltest Du alles tun, was Du kannst, um Dich auf Deine Verteidigung vorzubereiten. Warte nicht, bis Dein Anwalt kommt, um Dich zu sehen, denn wahrscheinlich wirst Du ihn erst bei Deinem nächsten Gerichtstermin zu sehen bekommen, wenn Du nicht ein eher schwerwiegender Fall bist, und ein Anwalt eigens für Deinen Fall bereitgestellt wurde (im Gegensatz zu den Pflichtverteidigern, die die alltäglichen Fälle im Gerichtssaal erledigen). Es ist wahrscheinlich, daß Du von drei oder vier Anwälten vertreten wirst, um dann, kurz vor der Verhandlung, einen speziellen Anwalt zugeteilt zu bekommen, der Dich während des Prozesses vertritt.

In der Untersuchungshaft solltest Du besonders vorsichtig sein gegenüber Leuten, die sich übermäßig für Dich oder Deinen Fall interessieren. Manche Leute suchen ständig nach einem Weg um freizukommen, und dafür würden sie ihre eigene Mutter verraten. (Es scheint, daß es heutzutage zum Lebensstil gehört, ein Spitzel zu sein. Die Menschen würden an jedem Verrat üben, mit welchem Grund auch immer sie das vor sich selbst rechtfertigen.) Diese Leute werden versuchen, Dich zum Reden über Dich und Deinen Fall zu bringen. Dann gehen sie zum Staatsanwalt und behaupten, Du habest ihnen alles über Deinen Fall erzählt, und sie bieten an, vor Gericht gegen Dich als Zeuge aufzutreten, wenn der Staatsanwalt einen Handel für sie abschließt. Allerdings geschieht dies üblicherweise nur in den schwerwiegenden Fällen. Zusätzlich benutzen die Polizei und die Anklagevertretung ihre eigenen Spitzel. Es wird so arrangiert, daß der Spitzel mit Dir zusammen in Haft sitzt oder gleichzeitig mit Dir vor Gericht erscheint. Diese Spitzel müssen noch nicht einmal mit Dir sprechen, sie werden eine kurze Zeit in Deiner Umgebung untergebracht, dann wird ihnen erklärt, was sie zu sagen haben, und sie werden mit den notwendigen Informationen für eine Aussage vor Gericht versorgt. Sie werden in den Zeugenstand treten und unter Eid aussagen, Du habest ihnen dies und jenes über Deinen Fall erzählt, obwohl Du in Wirklichkeit nie zuvor mit dieser Person gesprochen hast. Das ist nicht mir passiert, aber es ist versucht worden. Ich wußte, wer sie (die Spitzel) waren, und ich ließ sie ein Papier unterschreiben, daß ich niemals meinen Fall mit ihnen erörtert hätte. Ich habe erlebt, wie das anderen passiert ist, aber darüber werde ich später sprechen.

Für diesmal höre ich hier auf, und ich hoffe, bald zurück zu sein, um etwas mehr mit Euch zu sprechen. Danke für Eure Zeit, und paßt gut auf Euch auf.

Dean