Kolumne 16
Es ist einige Zeit her, seit ich etwas geschrieben habe. Das
tut mir leid. Ich habe mir vorgenommen, diesmal über das
Rechtssystem zu schreiben. Ich habe diesen Bereich in der
Vergangenheit mehrmals berührt, und anschließend wurde mir
vorgeworfen, daß ich das Thema Todestrakt aus den Augen
verliere. Ich nehme an, es wäre interessanter, etwas über den
Todestrakt zu lesen, aber da man über das Rechtssystem in den
Todestrakt kommt, ist es nur logisch, darüber zu sprechen.
Außerdem habe ich zu Anfang angekündigt, daß ich über das
Rechtssystem sprechen würde. Ihr mögt vielleicht denken, das
Rechts- oder Strafjustizsystem sei ohne Interesse für Euch, aber
die Gefängnisse sind voller Leute, die genauso dachten. Nun
sitzen sie in ihrer Zelle , kratzen sich am Kopf und wundern
sich, was zum Teufel eigentlich geschehen ist. Schließlich geht
man davon aus, daß so etwas anderen passiert, nicht einem
selbst. Es ist etwas, was sehr leicht auch Euch betreffen kann
oder jemanden, den ihr mögt, es ist also gut, zu wissen was
geschieht.
Ich will versuchen, objektiv zu berichten, aber da ich über
Dinge schreiben werde, die ich auf meinem Weg durch das System
gesehen und erlebt habe, wird es nicht leichtfallen, immer
objektiv zu sein. Deshalb entschuldige ich mich im voraus für
alle Fehler. Ich habe nicht vor, über die Ungerechtigkeit des
Systems zu toben und zu lamentieren, und ich werde Euch Eure
eigenen Schlüsse ziehen lassen. Vielleicht werdet Ihr etwas
Hilfreiches lernen, und ich hoffe aufrichtig, daß Ihr Euch
niemals persönlich mit dem Rechtssystem auseinandersetzen
müßt.
Ein Todesstrafenprozess unterscheidet sich in vielen Punkten
von einem regulären Prozess, aber grundsätzlich ist das
Verfahren das gleiche. Es ist von (Bundes-) Staat zu Staat
verschieden, aber es gibt mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede.
Egal, in welchem Staat Du bist, falls Du jemals festgenommen
wirst und Dich mit dem Justizsystem auseinandersetzen mußt,
sprich niemals mit irgendjemandem über was auch immer zu Deiner
Verhaftung geführt hat. Wenn die Polizei möchte, daß Du mit
ihnen sprichst - "Nur um die Dinge zu klären"
(wie sie es gerne ausdrücken) - sprich nicht mit ihnen, außer
um zu sagen, daß Du nur im Beisein eines Anwaltes reden wirst.
Sie werden versuchen, Dich dazu zu bringen, daß Du Dir wie ein
Idiot vorkommst, weil Du einen Anwalt dabeihaben willst, "nur
um ein paar Punkte zu klären". Aber die Polizei
verhört Dich nicht, um Dir zu helfen. Vielleicht werden sie
versuchen, Dich einzuschüchtern, Dich auszutricksen, damit Du
doch redest, und sie können unter Umständen sogar Gewalt
anwenden, um Dich dazu zu zwingen, das zu sagen, was sie hören
wollen. Einer der größten Fehler, den Leute machen, ist der, zu
denken, daß die Behörden einem helfen werden, sich zu
entlasten, wenn man sich kooperativ zeigt. Nun, man verhört dich
nicht, um Dich zu entlasten. Wenn Du unschuldig bist, dann ist es
sogar noch mehr in Deinem eigenen Interesse einen Anwalt zu
haben, und wenn Du schuldig bist, dann nehme ich an, daß es umso
mehr zu Deinem Nutzen ist, einen Anwalt zu haben, der Dich
vertritt.
Nach der Verhaftung stecken sie Dich zunächst in
Untersuchungshaft (County jail = Gemeindegefängnis). Die
Untersuchungshaft (jail) entspricht nicht dem Gefängnis
(prison). In das Gefängnis wirst Du geschickt, wenn Du dessen
für schuldig befunden wurdest, weshalb man Dich festgenommen
hat. In der Untersuchungshaft findet die ganze
erkennungsdienstliche Behandlung statt, Fingerabdrücke,
Kopfbilder (für die Verbrecherkartei) und all' das. Wenn Du in
Untersuchungshaft gebracht wirst, wirst Du üblicherweise in
einem Schlafsaal (Gemeinschaftszelle) enden. Dort wirst Du bis zu
Deinem Prozess bleiben. Gemeindegefängnisse sind immer
überbelegt, und Du wirst vermutlich auf dem Boden schlafen, bis
Du ein Bett bekommen kannst. Es ist üblich, Kämpfe um einen
gerade freigewordenen Schlafplatz zu erleben. Nachdem Du einmal
in Untersuchungshaft bist, wirst Du herumsitzen und warten bis Du
das erste Mal vor Gericht erscheinst und formell dessen angeklagt
wirst, weshalb Du verhaftet wurdest. Dies ist auch der Zeitpunkt,
wo das Gericht Deine Kaution festlegt und Dir mitteilt, wieviel
Geld Du zahlen mußt, um die Zeit bis zur Gerichtsverhandlung
nicht in Untersuchungshaft bleiben zu müssen, wenn Du's Dir
leisten kannst (die meisten können sich's nicht leisten, die
Kaution zu bezahlen). Das Gericht fragt Dich, ob Du einen Anwalt
bezahlen kannst und prüft Deine Finanzen oder ob Du irgend etwas
Wertvolles besitzt, das sie als Bezahlung für den Rechtsanwalt
nehmen können, der Dich vertritt. Da die meisten Angeklagten das
sind, was als "mittelloser Angeklagter" (indigent
defendant) bezeichnet wird, wird das Gericht einen staatlichen
Anwalt mit Deiner Vertretung beauftragen. Dann wird Dein
nächster Gerichtstermin festgesetzt, und Du wirst bis zu Deinem
nächsten Erscheinen vor Gericht zurück in die Untersuchungshaft
geschickt.
Während Du in Untersuchungshaft sitzt, solltest Du alles tun,
was Du kannst, um Dich auf Deine Verteidigung vorzubereiten.
Warte nicht, bis Dein Anwalt kommt, um Dich zu sehen, denn
wahrscheinlich wirst Du ihn erst bei Deinem nächsten
Gerichtstermin zu sehen bekommen, wenn Du nicht ein eher
schwerwiegender Fall bist, und ein Anwalt eigens für Deinen Fall
bereitgestellt wurde (im Gegensatz zu den Pflichtverteidigern,
die die alltäglichen Fälle im Gerichtssaal erledigen). Es ist
wahrscheinlich, daß Du von drei oder vier Anwälten vertreten
wirst, um dann, kurz vor der Verhandlung, einen speziellen Anwalt
zugeteilt zu bekommen, der Dich während des Prozesses vertritt.
In der Untersuchungshaft solltest Du besonders vorsichtig sein
gegenüber Leuten, die sich übermäßig für Dich oder Deinen
Fall interessieren. Manche Leute suchen ständig nach einem Weg
um freizukommen, und dafür würden sie ihre eigene Mutter
verraten. (Es scheint, daß es heutzutage zum Lebensstil gehört,
ein Spitzel zu sein. Die Menschen würden an jedem Verrat üben,
mit welchem Grund auch immer sie das vor sich selbst
rechtfertigen.) Diese Leute werden versuchen, Dich zum Reden
über Dich und Deinen Fall zu bringen. Dann gehen sie zum
Staatsanwalt und behaupten, Du habest ihnen alles über Deinen
Fall erzählt, und sie bieten an, vor Gericht gegen Dich als
Zeuge aufzutreten, wenn der Staatsanwalt einen Handel für sie
abschließt. Allerdings geschieht dies üblicherweise nur in den
schwerwiegenden Fällen. Zusätzlich benutzen die Polizei und die
Anklagevertretung ihre eigenen Spitzel. Es wird so arrangiert,
daß der Spitzel mit Dir zusammen in Haft sitzt oder gleichzeitig
mit Dir vor Gericht erscheint. Diese Spitzel müssen noch nicht
einmal mit Dir sprechen, sie werden eine kurze Zeit in Deiner
Umgebung untergebracht, dann wird ihnen erklärt, was sie zu
sagen haben, und sie werden mit den notwendigen Informationen
für eine Aussage vor Gericht versorgt. Sie werden in den
Zeugenstand treten und unter Eid aussagen, Du habest ihnen dies
und jenes über Deinen Fall erzählt, obwohl Du in Wirklichkeit
nie zuvor mit dieser Person gesprochen hast. Das ist nicht mir
passiert, aber es ist versucht worden. Ich wußte, wer sie (die
Spitzel) waren, und ich ließ sie ein Papier unterschreiben, daß
ich niemals meinen Fall mit ihnen erörtert hätte. Ich habe
erlebt, wie das anderen passiert ist, aber darüber werde ich
später sprechen.
Für diesmal höre ich hier auf, und ich hoffe, bald zurück
zu sein, um etwas mehr mit Euch zu sprechen. Danke für Eure
Zeit, und paßt gut auf Euch auf.
Dean