Kolumne 5
Ich bin in der letzten Kolumne etwas vom Thema abgekommen,
also werde ich in dieser damit fortfahren, über den Ost-Block
(Condemned how II) zu sprechen. Aber vorher möchte ich auf einen
Komentar zu einer frühe-ren Kolumne eingehen. Ich hatte
konstatiert, daß laut Statistik über 80 % der Amerikaner für
die Todesstrafe sind, und daß ich daher davon ausginge, daß die
meisten Leute, die das lesen, was ich schreibe, dieser Statistik
entsprächen. Der Kommentar besagte, daß die meisten von
Alex Hörern liberal eingestellt sei, so daß der
Prozentsatz von 80% nicht akkurat sei. Aber diese Kolumne reicht
über den Kreis von Alex Hörern hinaus, so daß ich immer
noch das Argument aufrecht erhalte, daß die Meisten tendenziell
feindlich gegen mich eingestellt sind, aber in Ihrem Punkt stimme
ich mit Ihnen überein. Danke für den Hinweis.
Es ist nach drei Uhr morgens da ich hier sitze und dies
schreibe. Ich bleibe häufig nachts auf, da es im allgemeinen die
beste Zeit zum Schreiben ist. Der Geräuschpegel ist gesunken, so
ist es leichter, ohne viele Ablenkungen nachzudenken und zu
schreiben. Hin und wieder wird da jemand sein, der mitten in der
Nacht anfängt zu schreien, aber wenn ich mein Radio aufdrehe und
die Kopfhörer aufsetze, stört es nicht zu sehr. In drei oder
vier Stunden wird der Krach plötzlich wieder auf die übliche
Stufe ansteigen.
Die Wachen beginnen um 6.30 Uhr das Frühstück auszuteilen.
Das dauert ungefähr 45 Minuten. Jedes Stockwerk ißt um die
gleiche Zeit, so daß Beginn und Ende für jeden ziemlich
gleichzeitig sind. Um 7.30 Uhr werden sie mit dem Hofgang
beginnen. Jeder, der auf den Hof will, wartet an seiner
Zellentür auf die Wachen, die ihn herauslassen werden. Vorher
machen sie eine Leibesvisitation, durchsuchen Deine Kleidung,
schauen in Deinen Mund, unter die Hoden und in den Hintern.
Danach kannst Du Deine Unterwäsche und die Schuhe anziehen,
wirst in Handschellen gelegt, und dann wirst Du aus Deiner Zelle
herausgelassen. Dein Hemd und Deine Jeans trägst Du über dem
Arm. Ehe Du auf Deinen Hof gelassen wirst, muß noch ein
Metalldetektor über Deinen Körper geführt werden, um
sicher-zustellen, daß Du keine Waffen nach draußen schmuggelst.
Es gibt vier Höfe für die Verurteilten im Ost-Block. Du
bekommst einen Hof zugewiesen, abhängig davon, ob Du mit irgend
jemandem Probleme hast. Jeder Hof mißt ca. 12 x 18 m. Da ist ein
Basketball-Korb, ein paar Gewichte, eine Reckstange und zwei
Tische zum Kartenspielen. Außerdem ist in einer Ecke ein
Duschkopf, ein Waschbecken und eine Toilette. Ungefähr 60 bis 70
Leute kommen auf einen Hof, etwas mehr in manchen, in anderen
weniger.
Ich habe früher mal am Hofgang teilgenommen, aber ich habe
damit aufge-hört. Es wurde zu verrückt, und ich fand heraus,
daß ich in meiner Zelle meine Zeit besser nutzen kann. Es gibt
eine ganze Menge Jungs hier, die genauso empfinden und auch nicht
auf den Hof gehen. Der Hofgang ist einfach nicht den ganzen
Scheiß wert, den er mit sich bringt. So weißt Du nie, wann ein
Kampf ausbricht und die Wachen anfangen werden zu schießen. Sie
schießen vielleicht nicht auf Dich, aber in einem begrenzten
Raum, der größtenteils aus Beton besteht, besteht immer die
Gefahr, von einem Querschläger getroffen zu werden.
Als ich das erste Mal auf den Hof ging, ein paar Tage nachdem
ich in den Ost-Block gekommen war, lief ich herum, um mich zu
orientieren und meine Umgebung zu erkunden. Während ich ein paar
Runden um den Hof machte, fiel mir auf, daß der Beton eine Menge
Löcher hatte. Später, als ich an der Wand lehnte und mit einem
der Jungs sprach, erwähnte ich die schlechte Handwerksarbeit am
Beton. Der andere schaute mich an, als ob ich einen Witz gemacht
hätte. Er kicherte und sagte: "Das ist nicht schlecht
gear-beitet, das ist schlecht gezielt!" Es kam heraus,
daß die Absplitterungen die mir aufgefallen waren, durch Kugeln
verursacht waren, die während Auseinandersetzungen in den Hof
gefeuert worden waren. Das war der Punkt, wo ich mich zu fragen
begann, ob ich wirklich auf einem Platz herumhängen wollte, wo
ein Teil des Übungsprogrammes darin bestand, Kugeln
auszu-weichen.
Ich glaube, es ist der "Schornstein", der
letztendlich meinen Entschluß auslöste. Jeden Tag, wenn ich auf
den Hof ging, lehnte ich zum Schluß an der Wand. Dabei konnte
ich beobachten, was um mich herum vor sich ging. Am Ende der
Flucht von Höfen liegt die Gaskammer. Aus ihrem Dach ragt ein
riesiges, grünes Rohr, das dazu dient, nach einer Hinrichtung
das Giftgas abziehen zu lassen. Ich ertappte mich dabei, daß ich
jeden Tag auf dieses Rohr starrte und mich fragte, ob durch jenes
Rohr eines Tages das Giftgas abziehen würde, mit welchem ich
hingerichtet wurde. Kurz darauf beschloß ich, daß ich wirklich
nicht länger im Hof herumhängen wollte.
Bis später,
Dean