July 20, 2000
Kolumne 27
Letztens erreichte mich ein Brief von jemandem. Er schrieb, dass er im
TV einen Bericht über einen Mann gesehen hat, der hingerichtet wurde
(siehe auch unter Briefe) und wie schockiert er über das Verhalten
der Angehörigen des Opfers war.
Daraufhin musste ich über einige Gespräche nachdenken die
ich mit verschiedenen Leuten über den Begriff Abschluss geführt
habe und was dieser Begriff für die Familien des Opfers bedeutet,
wenn eine zum Tode verurteilte Person hingerichtet wird.
Ich möchte über den Abschluss reden und ein paar Gedanken
anbringen, die ich mir über diesen Begriff gemacht habe.
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich ein Problem damit
habe wie dieser Begriff im Zusammenhang mit der Todesstrafe benutzt wird.
Meiner Meinung nach ist es eine dieser Phrasen, die von den Befürwortern
der Todestrafe (ebenso wie den Medien) benutzt werden, als eine Art Hymne
ohne reale Bedeutung. Sie wird dazu benutzt, um eine gefühlsmässige
Reaktion bei den Menschen zu bewirken. In all den Jahren hatte ich die
Möglichkeit, viele Gesetzesbücher und Gesetzestexte bezüglich
der Todesstrafe zu lesen und studieren. In der ganzen Zeit habe ich nicht
einmal das Wort Abschluss ('closure') in einem dieser Bücher
erwähnt gefunden. Dennoch, gewöhnlich, wenn man einen Staatsanwalt
oder Befürworter der Todesstrafe reden hört, benutzen sie meist
dieses Wort. Unvermeidlicherweise benutzen sie auch das Wort Justiz im
gleichen Satz, als wenn die beiden Begriffe irgendwie miteinander zu tun
hätten. Für mich scheint es so, dass Abschluss ein Wort geworden
ist, dass in Wirklichkeit Rache bedeutet und so oft ich auch gesucht habe,
der Begriff Rache wurde in keinem der Gesetzestexte erwähnt, die ich
gelesen habe.
Früher schon habe ich beschrieben, wie Staatsanwälte und Polizei
die Familien der Opfer benutzen, um die Todesstrafe zu rechtfertigen. Das
möchte ich hier nicht noch einmal alles wiederholen, aber es ist eine
sehr effektive und effiziente Vereinigung, die es über die Jahre geschafft
hat, einen grossen politischen Einfluss zu bekommen. Diesen Effekt kann
man in jedem Jahr sehen, in dem Wahlen stattfinden. Diese Politiker versuchen
sich selbst darzustellen, indem sie zeigen, wie hart sie gegen die Kriminalität
vorgehen. Über einige der lächerlichen Ideen, die sie als Lösung
im Kampf gegen die Kriminalität vorschlagen, könnte man nur lachen,
wenn sie nicht das Leben so vieler Menschen betreffen würden.
Nachdem ich das klargestellt habe, möchte ich gerne über eine
andere Gruppe von Opfer-Familien schreiben, über die man nicht so
häufig etwas hört. Es sind Familien, die ebenso schreckliche,
schmerzvolle Verluste hatten wie jene, die für die Todesstafe sind.
Dennoch kämpfen diese Familien gegen die Todesstrafe und setzen sich
auch offen gegen die Regierung für das Leben ein.
Diese Familien haben eine Vereinigung gegründet mit dem Namen
'Murder
Victims Families For Reconciliation' ('Familien von Mordopfern
wollen Versöhnung').
Zum erstenmal hörte ich von dieser Organisation von einem der
Leute hier in den Todeszellen. Eines Tages, als ich in den Besuchsräumen
war, um einen regulären Besuch zu empfangen, stellte er mich einer
Frau vor, die ihn besuchte. Ich war aufgrund meines Besuchs ein wenig abgelenkt,
aber später erzählte mir dieser Mann, dass die Frau, die ihn
besucht hatte, die Mutter desjenigen war, wegen dessen Tötung
er verurteilt wurde. Als er mir das erzählte war ich schockiert und
ich fragte ihn, warum sie hierher kommen und ihn besuchen würde.
Es sagte mir, dass sie 'Murder Victims Families For Reconciliation'
angehören würde und eine absolute Gegnerin der Todesstrafe
sei. Sie und andere aus der Organisation reisen duch die USA (und andere
Länder), um über ihre Erfahrungen zu reden und sich für
die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen.
Als ich von dieser Vereinigung gehört hatte, versuchte ich mehr
über sie zu erfahren. Ich war sehr beeindruckt von dem, was ich erfuhr
und habe einen hohen Respekt und Mitgefühl für sie. Andererseits
habe ich Familien, die die Todesstrafe befürworten, genauso beobachtet.
Der Kontrast zwischen ihnen und den Familien, die Versöhnung wollen,
ist wirklich bemerkenswert. Die Befürworter-Familien scheinen voll
von Hass und Zorn zu sein, die MVFR-Familien hingegen ruhig und im Frieden
mit sich selbst. Es ist wirklich ein erstaunlicher Unterschied.
Ich denke, die offensichtliche Schlussfolgerung ist, duch Vergeben und
dem Versuch wieder zu einem normalen Leben überzugehen, kommt man
in einer solch schrecklichen Situation eher zu einem Abschluss. Aber wenn
Hass und Zorn in einem lodern, kann man die Heilung, die so wichtig ist,
nicht bekommen und auch keinen Abschluss finden.
Da ich gerade beim Thema Opfer und Familien bin möchte ich gerne
noch über eine andere Gruppe von Familien reden, die ebenfalls Opfer
sind. Die vergessenen Opfer. Dies sind die Familien, Freunde und Angehörigen
von denen, die von der Regierung getötet werden.Die Familien der Insassen
der Todeszellen haben kein Unrecht begangen, trotzdem haben auch sie einen
schmerzvollen Verlust. Sie verlieren nicht nur einen geliebten Menschen,
sondern sie sind auch Zielscheibe des Hasses und Zorns von verschiedenen Befürworter Gruppen. Ausserdem müssen sie
noch mit dem System im Gefängnis klarkommen, dass sie als Bürger
zweiter Klasse behandelt, da einer ihrer Angehörigen in der Todeszelle
sitzt. Ich habe die Gesichter der Angehörigen von Leuten gesehen,
die kurz vor der Exekution standen und ich weiss, dass ihr Schmerz genauso
tief und fürchterlich ist wie bei jeder anderen Familie, die einen
geliebten Menschen verloren hat. Sie müssen nicht nur den Schmerz
des Verlustes eines geliebten Menschen ertragen, oftmals müssen sie
hilflos und mit Schrecken zuschauen, wie dieser Mensch getötet wird.
Ich kann mir nicht helfen, aber ich frage mich, wie können diese Leute
ihren Abschluss finden? Das ist alles, was ich zu dem Thema sagen möchte.
Wenden wir uns nun anderen Dingen zu.
Eine der Fragen, die mir häufig von den Leuten gestellt wird ist,
was man selbst im Kampf gegen die Todesstrafe unternehmen kann. Auf dieser
Seite sind eine Anzahl von links, die einen direkt zu anderen Websites
führen und die aktiv gegen die Todesstrafe kämpfen. Wenn möglich,
sollte man sich diese Seiten anschauen. Ferner gibt es in vielen Kommunen
Gruppen von Aktivisten, bei denen man ebenfalls mitmachen kann. Die mir
gerade so einfallen sind''Abolition Now' und 'Amnesty
International' . Hier in Kalifornien kann man der Organisation 'Death
Penalty Focus' beitreten, die Gruppen in verschieden Teilen des
Staates hat.
Ebenso gibt es Gruppen, die sich für eine Gefängnisreform
und eine Reform des Rechtssystems einsetzen. Auch denen sollte man beitreten.
Eine von ihnen heisst The Prison Reform Unity Project' und
sie arbeitet landesweit (in den USA). Ich habe leider keine Postadresse
von ihr, aber die URL ist http://www.vip-cali.com/prup/.
Genausogut kann man aber auch die Nummer 415-789-3863 in Kalifornien anrufen und um eine Verbindung zu einer
Gruppe in der eigenen Gegend fragen. Unter der gleichen Telefonnummer erreicht
man 'The Campaign to end the Death Penalty'. ('Kampagne zur Aufhebung
der Todesstrafe') und kann von dort weitere Informationen zum Thema
bekommen.
Ebenso empfehle ich Briefe an Senatoren und Kongressabgeordneten zu
schreiben. Wahrscheinlich werden die dem keine Beachtung schenken, aber
wenn Wahlen anstehen, kann man seinen Standpunkt ja klarmachen.
Ich möchte mich bei all denen bedanken, die die Zeit gefunden und
mir ihre Kommentare und Ansichten geschrieben haben.
Ebenso bei denen, die mir einfach nur so geschrieben haben. Meine Postadresse
steht auf dieser Website, ihr könnt mir also auch mit der ganz normlen
Post (Schnecken-Post) einen Brief schicken.
So, das war es für heute.
Frieden
Dean